HARRY KUPFER
geboren am 12. August 1935
Herbert hat ein zwiespältiges Verhältnis zu den heutigen Regisseuren der Opernszene. Er wirft ihnen teilweise fehlende Partitur- Studien, mangelnde Musikalität, unzureichende Werkkenntnis und spannungslose Personenregie vor, die sie durch von den Libretti abweichenden, nicht mehr werkgerechten, provozierenden Einlassungen, die manchmal sogar bewusst zu skandalösen Entwicklungen geführt werden, auszugleichen versuchen.
Die Regie muss natürlich neue Wege gehen, die Sicht auf die Werke ist zu überdenken, Interpretationen dürfen auch aufräumen mit althergebrachten nicht mehr zeitgemäßen Inszenierungen bis hin zur Entrümpelung, wie es einst Wieland Wagner, trotz heftiger Proteste, gewagt hat.
Nur, wenn es Vollidioten sind, die meinen, Musik ist das Rohmaterial und sie benutzen das Stück um ihr Ego zu pflegen, wendet man sich mit Grausen.
Einer der wenigen bedeutenden Regisseure ist, leider nun war, der am 30. Dezember 2019 verstorbene Harry Kupfer, dessen Laufbahn über viele Stationen in der DDR begann, wo er danach 21 Jahre die künstlerischen Geschicke der Komischen Oper Berlin leitete. Dann arbeitete er als Regisseur freischaffend an den großen Opernhäusern, wo er nahezu für 200 Inszenierungen verantwortlich war, überwiegend zu Opern von Mozart, Wagner, Händel, Richard Strauss, aber auch zu zeitgenössischen Werken.
Wir erlebten Harry Kupfer vor allem als Wagner-Regisseur. Bei der Aufführung von "Der fliegende Holländer" bei den Bayreuther Festspielen im Jahre 1978 bezog er erstmals die Ouvertüre in die Inszenierung mit ein, entwickelte, natürlich ohne Worte, einen Psychokrimi, das war kühn und genial. Leider hatte dies schlimme Folgen, weil nachfolgende Regisseure glaubten, dies bei jedem Wagner-Werk und auch bei anderen Opern machen zu müssen.Welch ein Unsinn!
Höhepunkt wurde für Harry Kupfer ab 1988 die Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" bei den Bayreuther Festspielen unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim, an die wir uns noch sehr gut erinnern. Anschließend hat Barenboim ihn für Inszenierungen der Wagner-Werke an die Staatsoper Berlin geholt, wo er u.a. auch nochmals den "Ring" neu inszenierte. Der 1. Akt "Walküre", der wenig Handlung hat, war umwerfend spannend, wie wir es noch nie erlebten.
Der viel zu lange Bericht im Kalendarium kann nicht noch zu einer ausführlichen Rezension ausgeweitet werden.
Nun ist die Opern-Regiewelt noch ärmer geworden. Wir werden Harry Kupfer vermissen.